Montag, 24. April 2017

San Martin de los Andes - Temuco

Eigentlich wollten wir jetzt von unserer Etappe von Argentinien über die Anden nach Chile berichten. Leider ist etwas dazwischengekommen. Wir hängen deshalb den Blogbeitrag und einige Bilder unten an. Was uns im Moment aber viel mehr beschäftigt, ist der Verlust unserer Velos.

Als wir in Temuco, einer mittelgrossen chilenischen Stadt, einfuhren, haben wir bereits gehört, dass es hier etwas anders zu und her geht als im beschaulichen Süden. Wir fuhren fürs Nachtessen Richtung Stadtzentrum, schlossen unsere Velos vor dem Lokal ab – drei Stunden später waren sie weg. Wie konnte dies nur passieren? Vielleicht ein Pickup, welcher die beiden Velos einfach aufgeladen hat? Wir können es uns nur ausmalen. Spätabends mussten wir bei den Carabineros Meldung erstatten und erhielten sehr unkompliziert Hilfe bei allen Formalitäten. Sie haben natürlich auch den emotionalen Wert der Velos für uns nicht gesehen. Nichtsdestotrotz bleibt ein fahler Beigeschmack. Wir haben die nächsten 650km bis Santiago bereits vor uns gesehen, uns darauf eingestellt, uns gefreut. Nun sind wir für den Moment einfach nur enttäuscht. Und etwas planlos, wie es denn weitergehen soll. Neue Velos beschaffen ist keine Option; Touren-Velos sind hier praktisch inexistent, solche, die den Ansprüchen von Andreas genügen erst recht. Wir lassen die Köpfe nicht hängen und machen uns jetzt per Nachtbus auf nach Santiago – etwas Dolce Vita und Grossstadt-Flair wird sicherlich helfen, um neue Pläne zu schmieden!

Mit etwas Abstand werden wir dann hoffentlich auch das Positive sehen. Die Einfahrt nach Santiago mit dem guten Gefühl, es geschafft zu haben, bleibt uns nun verwehrt. Die Strecke von San Martin de los Andes nach Temuco, welche nun wohl als unsere Schlussetappe im Gedächtnis bleiben wird, war dafür wunderschön. Retrospektiv ein guter Abschluss, wenn auch nicht wie erhofft.

Vom feucht-grünen San Martin de los Andes wechselte die Landschaft fast schlagartig in trockene argentinische Steppe vor den Anden. Auf der Passquerung bestaunten wir dann den Lanin Nationalpark und die greifbar nah scheinenden Vulkane. Dank der langgezogenen Abfahrt und etwas Rückenwind erreichten wir Pucon und danach Villarrica fast mühelos. In Villarrica erholten wir uns bei schönstem Wetter von diesen «Strapazen», genossen die guten Restaurants und den schönen See mit Panoramablick auf den Villarrica-Vulkan. Ganz unverhofft kam dann der Censo – die Chilenische Volkszählung. Da die letzte Volkszählung vor vier Jahren die Bevölkerung anscheinend nur auf +/- eine Million genau erfasst habe, bedeutet das dieses Mal Zwangsferien für alle inklusive Ausgangssperre. Die Datenerheber gehen zu Fuss von Tür zu Tür und erfassen auf Papier ziemlich viele mehr oder weniger relevante Informationen. Für uns hiess das fast leere Strassen und sogar eine gemütliche Fahrt auf der Autobahn nach Temuco. In Chile anscheinend auch nicht unüblich: wir wurden von den Beamten an den Mautposten freundlich angelächelt und regelmässig von Rennvelofahrern überholt.

Dienstag, 18. April 2017

Puerto Varas – San Martin de los Andes

Nach Tagen mit tollem Kuchen und echtem Kaffee (ja, Capucchino mit Milchschaum und nicht mit Chantilly-Dosenrahm!) konnten wir uns dann doch noch von Puerto Varas trennen. Wir nahmen die erste Andenüberquerung in Angriff. Zugegebenermassen sind die Anden hier unten ja noch nicht so hoch. Und doch hatten wir ziemlich daran zu beissen. Die Querung von Puerto Varas auf der chilenischen Seite nach Bariloche (Argentinien) beinhaltet drei Seeüberquerungen mit Schiffen, welche nach einem eng getakteten Fahrplan navigieren. Gutbetuchte Chilenen und Argentinier lassen sich den Ausflug per Bus und Schiff gerne 280 USD kosten. Mit unseren Velos hatten wir es da etwas anstrengender: Wir mussten genauso schnell pedalen, wie die Touri-Busse zum nächsten Schiff fuhren. Die etwas über 1000 Höhenmeter über den Hauptpass mussten wir innerhalb von vier Stunden schaffen, um nicht vor dem nächsten See festzustecken. 1000 Höhenmeter über 25km? Locker, dachten wir. Als wir dann die ersten noch flachen Kilometer in einem regelrechten Bachbett mit tiefem Kies mit knapp 5 km/h fuhren, zweifelten wir zum ersten Mal. Und wir sollten während der nächsten Stunden noch viele Male fluchen, Velo schieben, schwitzen, Beinkrämpfe unterdrücken und hoffen, dass der Touri-Bus uns nicht vor der Passhöhe überholt. Zum Schluss schafften wir es – hauptsächlich, weil der Bus an einer Gepäckkontrolle am Grenzübergang hängen blieb 😊

So sind wir vor Ostern in Bariloche angekommen. Die Landschaft mit den vielen Seen und den fast schweizerisch anmutenden Bergen hat uns sehr gefallen. Es gibt sogar einige Refugios, fast schon regelrechte SAC-Hütten, welche man zu einer mehrtätigen Wanderung verbinden kann. Wir haben uns dann aber mit den schweren Beinen für den Sessellift entschieden 😊 Weniger zugänglich waren uns die vielen argentinischen und brasilianischen Touristen, welche mit Tigerli-Leggins, Lippenstift und Gucci-Täschli unterwegs waren. Deshalb sind wir dann in der Hoffnung auf etwas Ruhe bald wieder Richtung Norden aufgebrochen. Zwei Tage verbrachten wir in der wunderschönen «Siete Lagos» Gegend und waren rechtzeitig für ein feines Znacht am Ostersonntag in San Martin de los Andes.

Donnerstag, 6. April 2017

Carretera Austral Coyhaique – Puerto Varas

Kennt ihr das, wenn man lange kaum aus dem Staunen herauskommt ob all der schönen Umgebung – und dann an einem gewissen Punkt trotzdem (oder glücklicherweise?) froh ist, wenn wieder etwas anderes, neues, unbekanntes kommt?

Mit diesem tollen Gefühl haben wir mittlerweile die Carretera Austral verlassen. Der letzte Abschnitt ging von Coyhaique bis nach Chaitén. Diese Gegend ist bedeutend besiedelter als der Süden und wir haben uns einige Leckerbissen herausgesucht, um etwas zu verweilen. Auch wenn die Chilenen einem jeweils alle Gletscher, Gletscher-Wasserfälle und Gletscher-Seen als Must-See anpreisen, so nimmt der Reiz mit zunehmender Anzahl doch ab. Wir haben uns also für einen Abstecher in den Pumalin Park entschieden, welcher in Punkto Parkpflege (die Wanderwege sehen aus wie in einem englischen Garten), Natur und Vulkan-Aussicht kaum zu toppen ist.

Leider war während der letzten Woche unsere Gutwetter-Glücksträhne zu Ende. Als Abschluss wurden wir vor Chaitén innerhalb von 20km dann auch gleich 3x richtig verregnet, so etwas passiert einem auch nicht jeden Tag 😊

Nun sitzen wir gerade in Puerto Varas, einem von deutschen Siedlern gegründetes Dorf oberhalb der Carretera, trinken Cappuchino, essen Apfelstrudel, lassen uns den Bart stutzen (also nur Andreas) und überlegen, was uns von der Carretera am meisten in Erinnerung bleiben wird.

1. Der Raum. Die Zeit.
Hier tickt die Uhr noch etwas anders. Und auf dem Velo sogar noch etwas langsamer. Wir erlebten die Eindrücke sehr intensiv.

2. Die Abwechslung.
Feucht-tropische Wälder? Trockene Grassteppe und Flüsse in allen nur erdenklichen Blautönen? Überhängende Gletscher? Saftige Blumenwiesen? Es ist einfach alles da.

3. Das Wenige.
Mit dem Wenigen auskommen, das da ist – und sich umso mehr wieder auf «das Mehr» freuen!

4. Der Zeitpunkt.
Kaum Autos, keine staubigen Strassen, keine überfüllten Hostals. Wir hatten die Carretera seit Mitte März fast für uns alleine. Zum Schluss waren in den kleinen Dörfern fast keine Cafeterias und Hostals mehr offen, aber umso mehr konnten wir hier die Ruhe geniessen und uns nur vorstellen, wie hektisch es im Januar/Februar gewesen sein musste.

5. Die Menschen.
Wie überall gibt es auch auf der Carretera Menschen, welche wohl besser nicht im Tourismus arbeiten würden. Umso dankbarer sind wir für die positiven Beispiele. Da ist Carlos, Lehrer und Teilzeit-Hostalführer, welcher uns an einem Sonntag durchs ganze Dorf chauffiert hat, um Apfel-Empanadas zu finden. Und dann auch noch um 23h mit Claudia ein Glas selbstgemachte Mosqueta-Konfi (Hagenbutten) suchen ging. Oder da sind Tadeo und sein 83-jähriger Vater aus Buenos Aires, welche auch mit dem Velo unterwegs waren. Sie hatten definitiv einen Sympathie-Bonus! Und nicht zuletzt das holländische Päärchen, welches wir immer wieder trafen und so auch Freud und Leid der verschiedenen Etappen mit uns teilte.

Und dann gibt es auch einige Dinge, welche für uns unverständlich bleiben. Wie einige wissen, sind wir ja keine grossen (Haus-)Tierfreunde. Wir nerven uns wirklich sehr darüber, dass in jedem Dorf ganze Rudel halbwilder Hunde unterwegs sind. Sie bellen nächtelang, verfolgen harmlose Velofahrer aus lauter Langweile (Claudia hatte mal sechs Stück gleichzeitig am Rad) und jagen als Sport jedem Auto nach. Gewissen Lesern mag dies bekannt vorkommen 😊

Von Puerto Varas aus zieht es uns nun in's Sankt Moritz Argentiniens, Bariloche. Man munkelt, dass es dort tatsächlich auch gute Schoggi geben soll...